Gesang in endlosen Fluren. Hinter dem Regal mit den Perücken der gefüllte Blutkühlschrank, ein Schwarm Elfen zwitschert durch die Kantine, Pauken, Trompeten, die allgegenwärtige Lautsprecherstimme. Einflüsterungen, große Worte, absurde Dialoge, und jede Geste zählt. Unten dicht bei der Kanalisation gewaltige Hebeapparate, ein jubelnder Chor schwebt herauf: Die Singende Stadt.
Der Film nimmt die Stuttgarter Parsifal-Inszenierung des Star-Regisseurs Calixto Bieito zum Anlass und als roten Faden, um in das komplexe Universum eines großen Opernhauses einzutauchen und die Menschen in dieser fremden Welt bei ihrer täglichen Arbeit zu beobachten.
So entwickelt sich kein herkömmliches making-of einer Opernproduktion, sondern das Bild eines ebenso hochgradig verfeinerten wie flexiblen Organismus mit erstaunlichen Fähigkeiten, mit gewaltigen Konflikten und deren eleganten oder mitunter komischen Lösungen, und wir ahnen, dass nicht erst die Oper ein »Kraftwerk der Gefühle« ist, sondern schon das Opernhaus selbst.
Am Anfang stehen eine prallgefüllte Partitur und eine große, leere Bühne. Von den ersten Überlegungen zur Gestaltung einer Spielzeit an einem Opernhaus bis hin zur Premiere eines Werks vergehen Jahre. Sind die Kernpositionen bestimmt, setzt sich eine gigantische Maschinerie in Gang. Hier setzt der Film an und zeigt den Entstehungsprozess einer Opernproduktion an einem der renommiertesten Häuser dieser Republik.
Calixto Bieitos intuitive Art zu arbeiten und die daraus entstehenden Dynamiken innerhalb der unzähligen Abteilungen des Hauses bilden den Kern von Jendreykos Film. Monatelange Überlegungen, Planungen und Zeichnungen, selbst Kernstücke des Bühnenbildes und dessen Peripherie werden durch eine einzelne Entscheidung Bieitos verworfen und müssen grundsätzlich neu gedacht werden.
Der Regisseur bestimmt für die Dauer der Produktion den Rhythmus des Hauses, der Film lässt sich mitziehen von den entstehenden Dynamiken und findet seine Momente der Ruhe beim konzentrierten Arbeiten in kleinen Werkstätten und Arbeitsräumen abseits der Probebühnen und Epizentren der Geschehnisse.
Ganz wie der Held aus Richard Wagners letzter Oper dringt der Zuschauer in eine ihm unbekannte Welt ein. Er erlebt Erstaunliches, Witziges und Dramatisches, um am Schluss mit neuen Erkenntnissen von seinen Abenteuern zurückzukehren.
Und wenn Parsifal als unwissender Tor nach und nach Bewusstsein erlangt und damit erst zum ganzen Menschen, zum Individuum wird, so erzählt der Film, wie die verschiedensten Individuen in diesem Opernhaus mit all ihren Streitereien und Sorgen, ihren Fertigkeiten und Träumen zu einer handlungsfähigen, schöpferischen Gemeinschaft werden.
Der Zuschauer wird Zeuge der Freuden und Krisen, der Banalitäten und Genialitäten, der Gegensätze und Gemeinsamkeiten, die den Arbeitsalltag der Menschen hier prägen und in ihrer Summe einer Inszenierung ihr Gesicht geben. Er entdeckt Berufe, die hier wie seltene Arten gepflegt werden und lernt Menschen kennen, die in der Ausübung ihrer Tätigkeit erblühen.
Planung und Inszenierung einer Oper dauern länger als ein Jahr. Wir waren dabei. Wir haben uns diese Zeit genommen, auch um zu verstehen, was diese Maschinerie wirklich antreibt.
Hier treffen Visionen auf die Realität des Machbaren: Jede Oper eine babylonische Anstrengung und ein sinnliches Vergnügen.
(RealFiction Filmverleih)
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